Zentrum für Osteuropastudien
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Welchen Weg nimmt Putins Russland - 20 Jahre nach dem Ende des Kommunismus?

Es diskutierten Alexander Rahr, Leiter des Berthold-Beitz-Zentrums in der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und Ingo Mannteufel, Leiter der Russischen Redaktion in der Deutschen Welle.

22.11.2011

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SchulzeWessel 7325_webProf. Martin Schulze Wessel (Lehrstuhl für Geschichte Ost- und Südosteuropas und Leiter der Zweigstelle München der DGO) begrüßte die rund 90 Gäste, welche in die Carl Friedrich von Siemens Stiftung im Schloss Nymphenburg gekommen waren. Zunächst stellte Frau Dr. Lou Bohlen, Geschäftsführerin des Zentrums für Osteuropastudien, die beiden Russlandexperten Ingo Mannteufel und Alexander Rahr vor. Ingo Mannteufel, Leiter der Russischen Redaktion der Deutschen Welle, ist für die Online-Berichterstattung über Russland aus deutscher und europäischer Perspektive verantwortlich. Als Auftakt attestierte er Deutschland, dass es sich mit dem heutigen Russland äußerst schwer täte, um dann im Folgenden drei Mythen in der deutschen Wahrnehmung Russlands darzulegen und zu hinterfragen: Erstens beschäftigte er sich mit dem Mythos vom Osten Europas als gemeinsamen kulturellen und politischen Raum, der sich auf die EU zubewegt, also mit der Idee von einem "gemeinsamen europäischen Haus". Zweitens widerlegte er überzeugend die Annahme, dass die Entstehung einer russischen Mittelschicht automatisch zur Stärkung von Demokratie in Russland führe. Und drittens stellte er die Vorstellung in Frage, dass sich die Jugend  in Russland  für Europa und die Westorientierung interessiere und stark mache. Die Quintessenz seines Vortrags war, dass die Veränderungen in Russland aus deutscher Perspektive nicht ständig normativ an den westeuropäischen Ansprüchen von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gemessen werden dürfe. Vielmehr gelte es von westlicher Seite einen sehr langen Prozess zu begleiten, der weniger durch das beständige Aufzeigen von Mängeln, als vielmehr durch die Unterstützung der russischen Mittelschicht und deren Interesse an einem funktionierenden Rechtssystem und einer zuverlässigen, weniger korrupten Verwaltung zu fördern sei. Hierfür wesentlich seien unter anderem eine qualitativ hochwertige Berichterstattung für Russland, wie sie zum Beispiel die Deutsche Welle leiste, sowie eine neue Visaregelung.Bohlen u Rahr 7419_web
Der zweite Gast auf dem Podium, Alexander Rahr begleitete den Vortrag seines Kollegen zustimmend. Der international anerkannte Experte für den postsowjetischen Raum insbesondere für Russland ist Leiter des Berthold-Beitz-Zentrums, dem Kompetenzzentrum für Russland, Ukraine, Belarus und Zentralsien in der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. In einem pointierten Vortrag legte er seine Thesen zum Verhältnis Westeuropa - Russland dar. Vorweg schickte er fünf Postulate, eingeleitet durch die generelle Feststellung, dass die Demokratie in Russland eine Fassade sei. Dem folgte jedoch eine Argumentation, die für ein enges, pragmatisches partnerschaftliches Verhältnis zwischen Russland und Europa, insbesondere Deutschland warb. Die Argumentation folgte dabei der Linie, dass Russland zu Europa gehöre. Europa seinerseits sei in einem rasanten Prozess der Veränderung begriffen. Insbesondere die momentane Eurokrise könne zu einem Perspektivwechsel in Europa führen, der den Blick auf eine "Option Russland" öffne. Hierbei ginge es nicht nur um eine Zusammenarbeit auf dem Feld der Rohstoffe, so zum Beispiel als gemeinsames Projekt die "Modernisierung Sibiriens".  Neben einer Energieallianz könnten eine strategische Allianz Europas mit Russland von großem Nutzen sein.
Rahr 7373webRahr wies Deutschland eine Schlüsselrolle für den europäischen Perspektivwechsel zu, Deutschland sei in der Lage, sich für ein Russland im Westen stark zu machen. Immer wieder verwies Rahr auf sein kürzlich erschienenes Buch, "Der kalte Freund. Warum wir Russland brauchen" (Hansa Verlag 2011), in dem er sehr anschaulich nicht nur seine Perspektive auf das Verhältnis Russland und Europa darlegt, sondern auch argumentativ durch zahlreiche Begegnungen mit Vertretern der russischen politischen und wirtschaftlichen Elite untermauert. Beiden Vorträgen folgte eine lebhafte Diskussion, die wesentlich von Fragen aus dem Publikum gespeist und von der Geschäftsführerin des Zentrums für Osteuropastudien, Dr. des. Lou Bohlen moderiert wurde.